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Kanada Tag 3 - Ein Großbetrieb in echter Gemeinschaft

Kanada Tag 3 - Ein Großbetrieb in echter Gemeinschaft

Wie immer ging es heute Morgen früh los. Das vom Motel groß angeworbene „complementary Breakfast“ lies jedoch zu wünschen übrig, also mussten wir auf eigenen Proviant zurückgreifen. Unser Tagesziel war nun endlich die erste große Drescherflotte in Kanada vor die Kamera zu bekommen. Wir haben einen Tipp bekommen, von dem wir zunächst nicht so begeistert waren. Der Weg sollte uns zu einer der vielen Hutteriten-Kolonien in Kanada führen. Auf diesen Farmen leben bis zu 150 Personen in einer Gemeinschaft miteinander. Die Hutteriten kamen vor mehr als 500 Jahren aufgrund von kirchlicher und religiöser Verfolgung nach Kanada und in den mittleren Westen. Die Ursprünge liegen in Süddeutschland, Österreich und Teilen der Schweiz. Wir waren also gespannt.

Von Medicine Hat aus fuhren wir in Richtung US-Grenze stets nach der Wegbeschreibung, die man uns gegeben hatte. Zum ersten Mal mussten wir nun allerdings zu einem Punkt, der etwa acht Meilen fernab des Highways im Hinterland lag. Die angesprochenen letzten acht Meilen legten wir auf einer sehr breiten, gut befestigten Schotterpiste zurück.

Die ersten Farmgebäude waren schon nach kurzer Zeit am Horizont zu erkennen. Vor Ort stach uns sofort der gewaltige Technikpark mit zahlreichen John Deere und Case Knickschlepper sowie mindestens fünf 20-Meter-Drillen ins Auge. Außerdem fielen uns die große Wohnsiedlung und die Einwohner in traditioneller Kleidung auf. In der Werkstatt trafen wir auf Marten. Als wir ihm von unserem Anliegen erzählten, dass wir aus Deutschland kämen, war er gleich hell auf begeistert und stellte uns dem Chef vor. Marten selbst eskortierte uns dann mit dem Pick-Up etwa zehn Meilen kreuz und quer durch die absolute Wildnis. Auf halber Strecke kam uns eine gewaltige Staubwolke entgegen. Ein sogenannter „double-trailer“ gezogen von einem 550 PS Kenworth Truck, voll beladen mit Getreide, zwang uns zu einem kleinen Halt. Marten brachte uns bis zum Feldrand. Dort angekommen organisierte er uns über Funk zwei äußerst exklusive Mitfahrgelegenheiten. Über eine Kuppe näherten sich im Parallelflug zwei John Deere 9630 T Raupen, welche uns zum Ort des Geschehens bringen sollten. Die angehängten Brent Überladewagen, die so genannten Grain Carts, fassen jeweils 1.000 bushels. Dies entspricht 35.000 Liter. Wir wurden von den Fahrern sehr zuvorkommend und mit äußerster Freundlichkeit empfangen.

Auf dem Feld herrschte vermeintliches Chaos: Acht John Deere Drescher der 9000er STS Serie kämpften auf einem 50 Hektar Schlag um die letzten Halme. Kurz darauf setzten die ersten Drescher mit angebautem Schneidwerk zu einem etwa fünf Meilen entfernten Schlag um. Wir folgten auf den Raupenschleppern durch das teilweise sehr zerklüftete Land. Schnell war der 150 Hektar Schlag angedroschen und alle Maschinen fuhren wieder in vollem Tempo. Im Gegensatz zum uns bekannten deutschen Dreschen steuern die Fahrer ihre Mähdrescher auf einem Rundkurs um das Feld. Es werden keinerlei Beete angelegt und auch die Breite des Vorgewendes scheint keine Rolle zu spielen. Gleiches gilt auch für die Ecken der Schläge, welche sehr großzügig angesät werden.

Mit etwa 20.000 Hektar bewirtschafteter Flächen handelt es sich bei dieser Farm um eine der größten Kolonien. Die Farm versucht die gesamte Feldarbeit mit eigenen Einwohnern zu bewältigen. In Spitzenzeiten werden bis zu 20 Fahrer von anderen Kolonien angeheuert. Die Frauen kümmern sich ausschließlich um die Kinder und den Haushalt und stellen eigene Lebensmittel und Kleidung her. Wir wollen morgen noch weitere Eindrücke sammeln und davon berichten.

Schon länger hatte es sich angekündigt, dass in Kürze ein imposantes Foto- und Filmmotiv zu erwarten war. Plötzlich war es dann soweit: Alle acht Drescher fuhren in Formation bei besten Lichtverhältnissen das Feld hinauf. Ein unglaubliches Motiv, denke ich, nicht nur für einen Technikbegeisterten!

Gegen 18.30 Uhr erwartete uns ein weiteres Highlight. Es wurde Abendbrot zum Land gebracht und man hatte uns großzügig bedacht. Die Hausmannskost stellte für uns eine wunderbare Abwechslung zum ständigen Fastfood der vorherigen Tage dar. Wir blieben noch bis in die Abendstunden und fuhren zurück nach Medicine Hat. Morgen ist ein zweiter Besuch auf der Farm geplant und wir hoffen, dass wir weitere Informationen zum Leben und Wirtschaften auf der Farm bekommen können.

Text: Tammo und Jörn Gläser

Bilder: Jörn Gläser

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Landwirtschaft in Nordamerika Vol. 1


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